Hessische Landesregierung stellt Ukraine-Aktionsplan vor

Sandra Funken: „Aktionsplan stellt Weichen für umfassende, unbürokratische und rasche Hilfe“

In Wiesbaden wurde heute der Ukraine-Aktionsplan der Landesregierung vorgestellt. Unter dem Titel „Solidarität mit der Ukraine – Frieden in Europa – Hessen hilft“ formuliert der Plan detailliert die hessische Strategie zum Umgang mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Damit zählt Hessen zu den ersten Ländern, die einen eigenen Aktionsplan vorlegen.

Dazu erklärt CDU-Landtagsabgeordnete Sandra Funken:

„Wir haben die Aufgabe, geflüchtete Menschen aus der Ukraine gut aufzunehmen und zu versorgen. Es sind vor allem Frauen und Kinder, die bei uns vor dem völkerrechtswidrigem Angriffskrieg Schutz suchen. Sie brauchen Unterkunft, psychologische Unterstützung sowie Schule und Betreuung für ihre Kinder. Bund, Länder und Kommunen müssen diese Aufgabe gemeinsam schultern. In den vergangenen Wochen gab es eine große Welle der Hilfsbereitschaft in Hessen. Diese spontane zivilgesellschaftliche Hilfe muss nun durch strukturelle staatliche Unterstützung flankiert werden. Genau das regelt der Aktionsplan.

Bis Anfang Mai sind fast 5,6 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Knapp 400.000 sind zu uns nach Deutschland gekommen, 53.000 davon direkt zu uns nach Hessen. Wir wollen diesen Menschen nach ihrer traumatischen Flucht eine Stütze sein und ihnen wieder eine Perspektive geben. Der Aktionsplan nimmt daher alle Lebensbereiche der Flüchtlinge in den Blick – von der ersten Unterbringung, über Betreuung, Beschulung und Integration in den Arbeitsmarkt bis zur medizinischen Versorgung.

Im Landeshaushalt 2022 sind zwar bereits Mittel für flüchtlingsbezogene Kosten enthalten. Wir rechnen für Hessen jedoch mit etwa 75.000 Flüchtlingen und damit mit Mehrkosten von über 200 Millionen Euro. Das erfordert eine gemeinsame Kraftanstrengung der ganzen Gesellschaft. Wir führen daher mit den kommunalen Spitzenverbänden Gespräche und setzen uns bei der Bundesregierung für eine Ausweitung des finanziellen Engagements ein.

Um die Kommunen zu entlasten zahlt das Land Hessen bereits das Integrationsgeld in Höhe von 3.000 Euro pro zugewiesenem Flüchtling. Abhängig von der Zahl der Flüchtlinge wird Hessen den Kommunen hierfür mindestens weitere 60 Millionen Euro zuweisen. Zudem ist der Katastrophenschutz in die Einrichtung von Erstunterkünften eingebunden. Außerdem helfe die hessische Polizei bei der Registrierung.

Im Erstversorgungszentrum Frankfurt, in der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen und den Erstunterkünften in den Landkreisen stehen aktuell 13.400 Unterbringungsplätze bereit, von denen etwa 8.100 noch unbelegt sind. In den Erstunterkünften wird aktuell hessenweit eine ärztliche und psychologische Versorgungstruktur für Kriegsflüchtlinge bedarfsgerecht aufgebaut.

Zwar können aktuell viele Flüchtlinge privat bei Verwandten, Freunden und Bekannten unterkommen. Dies sind jedoch in der Regel keine Dauerlösungen. Wir wollen daher schnellstmöglich weiteren bezahlbaren Wohnraum schaffen. Wir haben daher viele Bau- und Bauordnungsvorschriften für Bestandsgebäude vorübergehend ausgesetzt.

Damit gerade Kinder von Kriegsflüchtlingen in Hessen Sicherheit, Struktur und Geborgenheit erfahren, haben wir gesetzliche Standards für die Kinderbetreuung vorübergehend angepasst. Konkret heißt dies, dass die Gruppen in den KiTas vorübergehend nach Absprache mit dem Jugendamt überbelegt werden dürfen – auch ohne zusätzliche pädagogische Fachkräfte.

Die Kinder sollen nicht auf der Straße groß werden, sondern mit Gleichaltrigen altersgerecht betreut werden und die deutsche Sprache lernen – denn es ist nicht klar, wie schnell sie in ihre Heimat zurückkehren werden können. Einrichtungen mit erhöhtem Sprachförderbedarf können daher Landesmittel beantragen. Die Koordinierungsstelle ‚Kinder mit Fluchthintergrund‘ wird bis 2025 fortgeführt und mit über 400.000 Euro gefördert.

Wir bauen die Sprachförderung nicht nur in der Kinderbetreuung, sondern auch in der Schule weiter aus. Der Aktionsplan sieht für ukrainische Flüchtlingskinder Vorlaufkurse vor. Bereit schulpflichtige Grundschulkinder werden in Intensivklassen aufgenommen und gezielt in 18 Wochenstunden in Deutsch gefördert. Wo möglich, wird es auch ergänzenden Unterricht in ukrainischer Sprach oder Direktaufnahmen in Regelklassen geben.
Ukrainische Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren an allgemeinbildenden Schulen und beruflichen Schulen werden in Intensivklassen aufgenommen und erhalten Deutschförderung. Im Bedarfsfall wird die Teilnahme an freiwilligen Online-Unterricht in ukrainischer Verantwortung ermöglicht.

Diese Vorhaben sind ein Kraftakt für die Betreuungseinrichtungen und Schulen. Wir bemühen uns daher um eine breitgefächerte Informationskampagne und die Akquirierung von pädagogisch ausgebildetem Fachpersonal und Lehrkräften aus der Ukraine.

Auch ukrainische Studenten wollen wir unterstützen. Wir stocken daher den HessenFonds von 1,3 Millionen Euro auf zwei Millionen Euro auf, um zusätzliche Stipendien zu finanzieren sowie Beratungs- und Sprachangebote auszubauen. Der Notfonds an den Hochschulen für in Not geratene ausländische Studierende wurde bereits finanziell verdoppelt. Hinzukommen 300.000 Euro sowie weitere Mittel des Digitalpakts Hochschule für Lehr- und Kooperationsprojekte und digitale Lehrangebote.

Die erwachsenen ukrainischen Flüchtlinge sind zum Großteil gut ausgebildet. Sie wollen in Deutschland arbeiten und sich selbst versorgen. Wir wollen sie dabei unterstützen, ihren Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. Daher werden wir insbesondere die Anerkennung von ukrainischen Berufs- und Bildungsabschlüssen entbürokratisieren. Auch für Erwachsene werden wir die Sprachförderung erweitern – das Landesprogramm ‚MitSprache – Deutsch4U‘ wird um eine Million Euro jährlich aufgestockt, das Ausbildungs- und Qualifizierungsbudget wird ebenfalls erweitert.“

Weitere Punkte des Aktionsplans sind:

• Ehrenamt

Mittel für kommunale ‚WIR-Vielfaltszentren‘ werden erhöht, um Integrationslotsen für die gezielte Beratung ukrainischer Flüchtlinge weiter zu qualifizieren

• Hilfe für traumatisierte Flüchtlinge

Auf- und Ausbau der Psychosozialen Zentren in Kassel, Gießen, Frankfurt und Darmstadt

• Schutz von Flüchtlingen

Verstärkte Präsenz der Polizei in Notunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen
Mehrsprachige Flyer zur Sensibilisierung hinsichtlich potentieller Gefahren

• Aufnahme von Kranken aus der Wielkopolska

Hessen ist mit der Wielkopolska in Polen seit dem Jahr 2000 verpartnert
Polen hat als Anrainerstaat bisher die meisten Flüchtlinge aufgenommen
Hessen unterstützt daher die Partnerregion, in dem die Aufnahme schwerkranker Kinder, Jugendlicher und Kriegsverletzter aus der Ukraine angeboten wurde, um die dortigen Krankenhäuser zu entlasten

• Unterstützung der hessischen Tafeln

Die Neukundenzahlen bei den hessischen Tafeln sind durch die Ukraine-Krise gestiegen
Das Spendenaufkommen ging zurück, die Betriebskosten stiegen
Die Landesregierung weitet daher die finanzielle Unterstützung der Tafeln aus

• Partnerschaft ausgesetzt

Die seit 1991 bestehende Partnerschaft mit der russischen Oblast Jaroslaw wurde ausgesetzt

• Verbraucherkompetenz

Seit 2016 existiert in Hessen das Projekt „Verbraucherkompetenz für Flüchtlinge“, durch welches praktische Hilfe, z.B. bei der Eröffnung eines Kontos, gewährleistet wird
Das Projekt wird mit 100.000 Euro gefördert
Wichtige Erstinformationen für ukrainische Verbraucher in Hessen sollen über eine gezielte Öffentlichkeitskampagne in ukrainischer Sprache vermittelt werden
Eine kostenlose Verbraucher-Hotline mit ukrainischen „Native-Speakern“ wird eingerichtet

• Sportangebote für Talente

In Kooperation mit dem Landessportbund Hessen hat das Hessische Innenministerium entschieden,
(Nachwuchs-)Leistungssportlern bei entsprechender Eignung den Mitgliedern des hessischen Landeskaders gleichzustellen